Donnerstag, 12. November 2015

"Jetzt denk doch einmal nicht so viel"

"Jetzt denk doch einmal nicht so viel“, „jetzt sei doch nicht immer so schnell“, „ich weiß, dass das langweilig für die ist, aber du musst das machen, weil es die anderen Kinder in der Klasse auch machen müssen“, „dich nehme ich gar nicht dran, weil du weißt eh immer alles“ - mit diesen und ähnlichen Anforderungen ihrer sozialen Umwelt zurecht zu kommen , fällt besonders begabten Kindern besonders schwer. Denn sie können diese Erwartungen nur erfüllen, wenn sie einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit verleugnen: ihr Lernbedürfnis. Wie alle anderen Kinder wollen auch die besonders begabten Kinder lernen, und zwar in dem Tempo, das ihnen angeboren ist.
Dieser Impuls wird aber oft – gewollt oder ungewollt – von Eltern, Lehrern und anderen Menschen in der Umgebung des Kindes gebremst. Da hochbegabte Kinder, so wie alle anderen Kinder, sich aber auch zugehörig fühlen wollen und dazu die Erwartungen ihrer Umgebung erfüllen wollen, kommen sie in einen inneren Konflikt: Ihre intellektuellen Bedürfnisse und ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit können nicht gleichzeitig erfüllt werden.
Die Kinder beginnen – meist ohne sich dessen voll bewusst zu sein – eines dieser beiden Bedürfnisse zu unterdrücken. Je nach Temperament des Kindes geht das mehr oder weniger „gut“, doch logischerweise bleibt immer etwas Unerfülltes zurück. Früher oder später – auch das hängt von der Persönlichkeit des Kindes und von der familiären und sozialen Umwelt ab – wird die Frustration zu groß, die psychischen Ressourcen reichen zur Unterdrückung nicht mehr aus und das Kind verändert sich. Diese Veränderung kann sehr verschieden sein, z.B. aggressives Verhalten, depressive Verstimmung, Schulverweigerung, extreme Aufsässigkeit zuhause, störendes Verhalten in der Schule, massiver Leistungsabfall...

In dieser „Auffälligkeit“ wird das Kind dann von den Lehrern und Eltern wahrgenommen. Leider wird diese „Auffälligkeit“ im Schulsystem als individuelles „Problem“ des Kindes angesehen (und daher die Verantwortung auf Kind und Eltern abgewälzt)– obwohl die Situation in der Schule zumindest als Mit-Verursacher gesehen werden muss. Und die Lage des Kindes ohne Veränderungen in der Schulsituation nur schwer verbessert werden kann.

Wer diese Zusammenhänge genauer nachlesen will, findet eine klare und gut verständliche Darstellung in der Broschüre „Zu Entwicklungsschwierigkeiten hochbegabter Kinder und Jugendlicher“, zum Download z.b hier (ÖZBF: http://www.oezbf.at/cms/tl_files/Publikationen/Div_andere_Handreichungen/03_broschuere_entwicklungsschwier_2006.pdf)
Das sollte Pflichtlektüre für alle LehrerInnen und Kindergartenpädagoginnen sein! Und auch für Eltern ;-).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen