Montag, 4. Januar 2016

Ursachen für misslingende Schulkarrieren von hochbegabten Kindern (Anne und Thomas Eckerle)

Von diesem Text gefällt mir der erste Teil ganz besonders gut, wo der Zusammenhang zwischen „individuellem Anforderungsniveau, schulischer Herausforderung und dem mit Dopaminausschüttung ausgelöstem Glücksgefühl“ beschrieben wird: Nur wenn die Schwierigkeit der Aufgabe so ist, dass sie mit Anstrengung gelöst werden kann, entsteht durch die Ausschüttung von Botenstoffen ein positives „Hochgefühl“, das wiederum die Leistungmotivation und das positive Selbstbild des Kindes stärkt. Sowohl schwach begabte wie auch hochbegabte Kinder haben in der Schule kaum Möglichkeiten, dieses Gefühl zu erleben. So kann es dazu kommen, dass auch hochbegabte Kinder, die die Möglichkeiten zu guten Schulleitungen mitbringen, keine Leistungsmotivation entwickeln, zu Anstrengungsvermeidern und in Folge zu Underachievern werden.

Was ich im weiteren Verlauf des Artikels nicht so gut nachvollziehen kann, sind die Erläuterungen darüber, dass „Underachiever“ - denn um diese Kinder geht es in dem Text - (fast) zwangsläufig soziale Probleme in ihrer Klasse haben, und zwar sowohl mit ihren MitschülerInnen als auch mit ihren LehrerInnen.

Auch den beiden zusätzlichen Risikofaktoren - Mangelnde Empathie und kommunikativer Einstellung sowie Unordnung des Wissens - kann ich nur wenig abgewinnen. Vor allem bei der „Unordnung des Wissens“ frage ich mich, wie die Autoren darauf gekommen sind und wie sie feststellen können, ob ein Kind geordnetes oder ungeordnetes Wissen hat. (Im Gegenteil sieht es eher so aus als ob hochbegabte Kinder besonders vernetzt denken würden, und das ist ja bei ungeordnetem Wissen nicht möglich. Außerdem: Wie kann man das nachweisen, ob Wissen geordnet oder ungeordnet ist? Sprunghaftes Denken muss m.E. nicht ungeordnetes Denken heißen.)
Die daraufberuhende Ablehnung des enrichment als „potentielle Erhöhung des Unordnung“ kann ich auch nicht mittragen, sehr wohl aber die Forderung, (hochbegabten) Kinder auch verschiedene Techniken zur Ordnung des Wissens zu lehren.
Wo ich sofort einen „Aha-Effekt“ hatte, war das „problemerfindende Denken“, das bei hochbegabten Kindern deutlich ausgeprägter zu sein scheint (z.B. weil Aufgabenstellungen zu wörtlich verstanden werden oder Aspekte bedacht werden, die nicht relevant sind.)

Mein Lieblingssatz zur Förderung: „Hochbegabtenförderung zielt auf Persönlichkeits-, nicht auf Wissensentwicklung, Leistungsmotivation auf den Aufbau von Selbstvertrauen, nicht auf Abrichtung zum vorzeigbaren Schüler.“ Das trägt auch der Beobachtung Rechnung, dass gerade hochbegabte Kinder ernst genommen werden und in ihrer ganzen Persönlichkeit wahrgenommen werden wollen.

Was mir fehlt, ist eine Überlegung dazu, warum 80% der hochbegabten SchülerInnen zumindest potentiell dem gleichen Risiko ausgesetzt sind, ihm aber nicht erliegen. Oder genießen die alle einen „nicht-langweiligen“ Unterricht? Das kann ich mir nicht vorstellen.

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